Ein Spätsommertag im September. Ich treffe mich mit Jule Seidensticker zum Interview auf der häuslichen Terrasse. Sie ist die neue, derzeit noch kommissarisch tätige Stellvertretende Jugendwartin im WTB. Das „kommissarische" muss erklärt werden. Da im Jahre 2020 bisher keine Jugendversammlung stattfinden konnte, fehlt noch die Bestätigung durch die Jugend-Mitglieder. Da sich die Amtsinhaberin Laura Wittek derzeit (und noch länger) in den USA befindet, entschied der Jugendausschuss, eine Nachfolgerin ins Amt zu holen: Jule. Mit ihr unterhielt ich mich über ihre neuen Aufgaben.
Jule (19) spielt Tischtennis im WTB, hat gerade ein freiwilliges, Soziales Jahr in Marseille in Frankreich absolviert und beginnt im November ein Studium auf Lehramt.
Die Liebe zum Tischtennis kommt vom Vater. Der spielt seit seiner Kindheit Tischtennis, seit ein paar Jahren nun auch im WTB. „Er spielte lange mit seinem eigenen Vater in Niendorf in einer Mannschaft", erzählt Jule, während gerade ein Hubschrauber über die Terrasse donnert, „aber nachdem ich beim WTB angefangen habe zu spielen, hat er dann gewechselt." Ihre Mutter habe als Jugendliche Tischtennis gespielt und als junge Erwachsene dann eine Pause von 20 Jahren gemacht. Doch: „Jetzt spielt sie wieder in der Dienstagsgruppe im WTB." Wettkampfmäßig sei es gegen ihren Vater immer spannend gewesen, inzwischen sei es fast ausgeglichen mit Siegen und Niederlagen. „Cool" findet sie es, in der laufenden Saison in der 2. Damen-Mannschaft zu agieren, die in der Hamburg-Liga spielen darf. Die ersten beiden WTB-Mannschaften spielen in dieser höchsten Hamburger Liga. „Im letzten Jahr habe ich noch in der Landesliga gespielt", erklärt sie. Sie habe Spaß daran, gegen stärkere Gegnerinnen zu spielen und auch mal zu verlieren. Nur dann könne sie besser werden.
Fast die Hälfte ihres Lebens ist Jule bereits im WTB. „Ich fühle mich total wohl im Verein und mache auch bei Trainingslagern und Reisen gerne mit." Deswegen sei es für sie auch keine Frage gewesen, sich im Verein weiter zu beteiligen. „Training zu geben und bei Turnieren zu coachen, macht mir Spaß, aber ich stellte mir schon die Frage, wie ich mich noch weiter im Verein einbringen kann", betont sie. Als sie auf die Stelle der stellvertretenden Jugendwartin angesprochen wurde, hat sie sofort ja gesagt. Denn dies sei ein interessanter Bereich. Das Gute: „Was ich da tun kann, hängt auch etwas von mir ab. Da bin ich flexibel und kann mir Dinge aussuchen." Fixe Punkte: „Ich werde bestimmte Veranstaltungen im Jahr für Kinder und Jugendliche organisieren wie das Kekse-Backen zu Weihnachten, Ausflug ins Arriba und den traditionellen Dombummel." Und auch einen Platz im Vorstand des Vereins zu haben, sei interessant, da werde sie sich einbringen.
Neben Keksen und Domgeschäften gibt es aber natürlich auch schwierige Themen in diesem Job. Jule weiß das: „Noch offen ist, welche weiteren Funktionen bei mir liegen, ob ich etwa für Mitglieder als Ansprechpartnerin zur Verfügung stehe, wenn es etwa Probleme gibt." Das würde sie reizen und sie sei offen dafür, betont sie. Wenn jugendliche Mitglieder mit ihr über Probleme sprechen wollen, können sie das gern tun. „Ich freue mich darüber und finde das wichtig und gut." Kontaktmöglichkeiten gibt es via Mail oder Telefon. Im WTB-Magazin steht das unter „Kontakte" ganz hinten im Heft.
Die Vorstandsarbeit sei derzeit für sie noch recht abstrakt, weil sie so etwas noch nie gemacht habe. Selbstbewusst erklärt sie: „Was mich aber von vielen im Vorstand unterscheidet, ist mein Alter. So habe ich vielleicht nochmal andere Ideen oder ein anderes Verständnis für Dinge, die Jugendliche interessiert oder bewegt".
Durch ihre bisherigen Einblicke in den Verein könne sie belegen, dass Ehrenamt insgesamt toll und faszinierend sei, da so ein Verein und viele andere Organisationen nur durch Ehrenamt bestehen können.
Tischtennis nimmt bei Jule schon relativ viel Zeit in Anspruch, da bleiben weitere Hobbys auf der Strecke. Aber: „Ich bin begeisterte Fahrradfahrerin, wenn es nötig ist, auch gern über längere Strecken. Und ich lese sehr viele Romane, inzwischen auch häufiger auf Französisch."
Jule hat 2019 ihr Abitur am Gymnasium Osterbek absolviert. Danach trat sie zu einem Freiwilligendienst in Südfrankreich in einem Sozialzentrum mit Kinderbetreuung/Hausarbeiten-Hilfe an. „Auf Französisch?" wollte ich wissen. „Ja, das funktionierte auf Französisch, da ich in der Schule Französisch hatte und in der 10. Klasse schon mal für ein halbes Jahr in Frankreich war." Dieser soziale Dienst ist in etwa vergleichbar mit der Tätigkeit eines Bundesfreiwilligen in Deutschland. Eigentlich sollte Jule zwölf Monate in Frankreich bleiben, aber Corona brachte auch dieses Vorhaben durcheinander. So war sie für drei Monate zuhause. Danach durfte sie im Sommer noch mal wieder für drei Monate zurück.
Noch mal zu Corona: „Die letzten Wochen waren etwas merkwürdig, weil ich nicht wusste, ob ich noch wieder zurück nach Frankreich fahren konnte oder nicht." So habe sie insbesondere das Warten genervt. „Aber Tischtennis konnte ich spielen, denn wir haben noch eine Platte im Garten." Als sie dann noch mal zurückfahren konnte nach Marseille, folgte aber auch die Ernüchterung über die dortigen Zustände. „Das war nicht schön, denn nur wenige Leute interessierten sich für die Corona-Auflagen und trugen konsequent die Maske. Dazu waren etwa Busse ständig überfüllt und auch in Geschäften wurden Masken kaum getragen." Somit habe sie es nicht überrascht, dass die Fallzahlen besonders in Marseille wieder in die Höhe gestiegen seien.
Jule zum geplanten Beruf: „Soziale Arbeit macht mir Spaß, aber ich habe mich gegen soziale Arbeit als Studium entschieden. Ich werde auf Lehramt studieren. Das geht schon in diese Richtung, aber doch eben etwas anders." Bisher habe sie eher mit Grundschulkindern gearbeitet, das Studium schafft aber die Grundlage, mit größeren Kindern zu arbeiten. Die Frage nach den Fächern hätte ich mir schenken können. Klar ist das Französisch und dazu Deutsch.
Am Abend nach diesem Gespräch spielte Jule ein Punktspiel gegen die andere WTB-Mannschaft und am Tag nach dem Gespräch nahm Jule an ihrer ersten Vorstandssitzung im WTB teil. Ein Einstieg ist gemacht.
Gerd Eisentraut
